Auswirkungen der Antibabypille auf Fitness & Diät

Ich habe lange Zeit mit mir gehadert, ob ich dieses thematisch „heiße Eisen“...
Auswirkungen der Antibabypille auf Fitness & Diät - Auswirkung Antibabypille auf Fitness und Diät
Planet Muscle 07.06.2017, 17:17 / / Fettabbau-Diät / Muskelaufbau

Wie wirkt sich die Pille auf Muskelaufbau & Diät aus?

Auswirkungen der Antibabypille auf Fitness & Diät

Ich habe lange Zeit mit mir gehadert, ob ich dieses thematisch „heiße Eisen“ als Blogthema anpacken sollte. Vielen Lesern (männlich und weiblich) werden die Sachen vermutlich nicht gefallen, die ich hier zum „Verhütungsmittel Nr.1“ recherchiert habe. Da ich aber durchaus viele Damen im Bekanntenkreis, als auch im Kreis meiner Kundinnen habe, die sehr körperbewusst sind, sich mit der Ernährung Mühe geben und sich beim Training den Arsch aufreißen, um ihren Wunschkörper zu bekommen - jedoch gleichzeitig die Pille nehmen, ohne sich über die Auswirkungen dieses „Hormoncocktails“ auf ihren Körper bewusst zu sein - war es mir doch eine Herzensangelegenheit über dieses Thema zu schreiben.

Die Pille ist in den Industrienationen ein beliebtes, wenn nicht das beliebteste Verhütungsmittel. Auf den ersten Blick bietet sie viele Vorteile - bei regelmäßiger Einnahme braucht man sich um ungewollte Schwangerschaften keine Sorgen machen und diese Art der Verhütung gilt als extrem sicher. Außerdem kann das Hormonpräparat Menstruationsbeschwerden dämpfen, verbessert oftmals das Hautbild und ist gut für die Haare.

Heute sind Pillenarten mit verschiedenen Wirkstoffkombinationen geläufig. Präparate der 2. Generation enthalten niedrig dosierte Mengen Ethinylestradiol (kleiner als 50 µg), einem synthetischen Östrogen, dass stärker wirkt als das körpereigene Estradiol. Präparate der 3. Generation enthalten Ethinylestradiol und zusätzlich synthetische Gestagene (Progestine). Gestagene sind weibliche Geschlechtshormone, die während der Schwangerschaft gebildet werden und den Eisprung verhindern. Die so genannte „Minipille“ enthält nur Progestine und kein Ethinylestradiol.

Nach und nach rücken jedoch auch die Nebenwirkungen der Pille - über die im Vorfeld oftmals viel zu wenig aufgeklärt wird - immer mehr in den Fokus, wodurch einige Anwenderinnen beginnen, sich nach Alternativen umzusehen.
Zu den leichten (!!!) und nicht selten vorkommenden Nebenwirkungen der Pille zählen: Übelkeit, Erbrechen, Gewichtszunahme, Migräne, Stimmungsveränderungen, Depressionen und Verlust der Libido. Ob diese Nebenwirkungen in Bezug auf das eigene, körperliche und seelische Wohlempfinden wirklich als „leicht“ eingestuft werden sollten, möge jede Anwenderin an dieser Stelle bitte für sich selbst entscheiden…
In seltenen Fällen kann es zu schweren Nebenwirkungen wie Thrombosen, Bluthochdruck und Störungen der Leberfunktion kommen. Ach ja - im Jahr 2005 gab die Cancer Research UK Epidemiology Unit in Oxford nach Auswertung von Studien mit 52000 Teilnehmerinnen bekannt, dass die längerfristige Einnahme der Pille das Risiko an Brust- und Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, deutlich erhöht. Daher stufte die International Agency for the Research on Cancer (Internationales Krebsforschungszentrum) kombinierte Verhütungsmittel mit den Inhaltsstoffen Östrogen und Progesteron als eindeutig krebserregend ein.

Eigentlich wollte ich in diesem Blogartikel nur explizit auf die Wirkung der Antibabypille auf Sport und Diät eingehen. Einen kleinen Exkurs werde ich an dieser Stelle aber dennoch machen, da die zugrundeliegenden, biologischen Wirkungsmechanismen auch teilweise die Auswirkungen der Pille im Bereich Sport erklären.

Verringerung/ Verlust der Libido durch die Pille

Eine der Standard-Nebenwirkungen, die in den Beipackzetteln verschiedener Pillen als gelegentliche- bis häufig auftretende Nebenwirkung aufgeführt wird, ist die Verminderung der Libido (Sexualtrieb) durch das Präparat. Einige werden sich jetzt fragen, warum ich ausgerechnet diese Nebenwirkung detaillierter erklären möchte…

Bei den Damen wie bei den Herren aller höherentwickelten Säugetierspezies ist die Ausprägung der Libido normalerweise signifikant vom Testosteronspiegel des Individuums abhängig. Sexualhormone - wie das Testosteron - binden im Blutkreislauf an ein Transportprotein, das Sexualhormon-bindende Protein SHBG. Nur ein geringer Anteil der Hormone liegt ungebunden im Blut vor. Aber nur dieser kleine, ungebundene Anteil kann überhaupt in den Zielorganen aktiv werden. Der an SHBG gebundene Anteil ist biologisch nicht aktiv.

Die meisten gängigen Antibabypillen erhöhen signifikant die Konzentration an SHBG in der Blutbahn. Entsprechend wird mehr freies Testosteron in der Blutbahn gebunden, der Testosteronspiegel (freies Testosteron) sinkt ab, die Libido geht meistens in den Keller

Moment, hatte die Höhe des Testosteronspiegels nicht auch direkten Einfluss auf den Muskelaufbau….?! Ja, hat sie - darauf kommen wir gleich. Zunächst möchte ich an dieser Stelle aber noch ein Grundlegendes Problem aufzeigen, über das kaum ein Gynäkologe aufklärt.

Wenn die Pille abgesetzt wird, sinkt die SHBG-Konzentration nach einiger Zeit (bei einigen schnell, bei anderen nach bis zu einem Jahr) normalerweise wieder auf ein normales Level ab. In Studien wurde jedoch auch aufgezeigt, dass es teilweise auch Fälle gibt, in denen die SHBG-Konzentration auch nach Beendigung der Pilleneinnahme dauerhaft erhöht bleibt. Und ergo, der Testosteronspiegel dauerhaft auf einem zu niedrigen Level…

Heute ist es immer noch vollkommen normal, das Mädchen in der Pubertät von ihrem Gynäkologen die Pille verschrieben bekommen. Sei es als sicheres Verhütungsmittel, gegen Regelschmerzen oder auch nur, wegen pubertätsbedingter Pickel und unreiner Haut. Die Einnahme des Hormonpräparates beginnt dabei aber oft bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der körpereigene Testosteronspiegel in einigen Fällen noch nicht auf seinem normalen, physiologischen Wert eingependelt hat. Ganz ehrlich - bei welcher von Euch Damen wurden vom Arzt die Bluthormonwerte bestimmt, bevor ihr irgendein Hormonpräparat verschrieben bekommen habt? Wahrscheinlich bei den wenigsten….

Wenn der körpereigene Testosteronspiegel sich bei Beginn der Pilleneinnahme noch nicht auf Normalwert befand, kann sich dadurch zusätzlich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Testosteronspiegel nach Absetzen des Hormonpräparates gestört bleibt. Ihr seht also, dass im Nachhinein noch ganz schön viel Mist an diesem „sicheren“ und „unkomplizierten“ Verhütungsmittel hängen kann. Mal ganz davon abgesehen, dass es doch irgendwie nur bedingt sinnvoll erscheint, ein Mittel zur Verhütung zu nehmen, das einem die Lust auf die Sache an sich oftmals nimmt. Aber das ist jedem selbst überlassen und nicht meine Baustelle….

So, jetzt aber endlich zur Auswirkung der Pille auf Sport und Diät!

Die Effekte der Pille auf den Muskelaufbau

Liebe Pillen-Nutzerinnen, es tut mir leid Euch das so hart sagen zu müssen - aber Eure gewählte Verhütungsmethode ist extrem schlecht für den Muskelaufbau.

Eine Studie, die von Wissenschaftlern der Texas A & M University und der University of Pittsburgh durchgeführt wurde (Lee et al. 2009), konnte diesen Sachverhalt recht eindrucksvoll belegen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass das Muskelwachstum von Athletinnen, die mit der Pille verhüten, 60 % (!!!) geringer ausfällt, als bei Athletinnen ohne hormonelle Verhütung. Erklärbar war der Effekt auf Grundlage mehrerer Mechanismen. Zum einen wies die Gruppe mit hormoneller Verhütung einen deutlich niedrigeren Spiegel an anabolen Hormonen in der Blutbahn auf (über den Testosteronspiegel-senkenden Effekt der Antibabypille habe ich ja bereits im vorherigen Kapitel berichtet).
Außerdem zeigten die Wissenschaftler, dass die in Pillen der 3. Generation enthaltenen Progestine (synthetische Gestagene) an den Androgen-Rezeptor binden können. Das ist (vereinfacht ausgedrückt) jener Bereich in der Zelle, an den normalerweise männliche Geschlechtshormone binden, um ihre spezifische Wirkung zu entfalten. Die Pille kann also nicht nur den Testosteronspiegel senken, sondern kann zusätzlich die Wirkung des verbliebenen Testosterons reduzieren, in dem potenzielle Bindungsstellen besetzt werden. Darüber hinaus wurde bei Frauen mit Pille eine deutlich höhere Konzentration an Cortisol im Blut festgestellt. Cortisol ist ein „Stresshormon“, welches von den Nebennieren produziert wird und katabol (abbauend) auf Muskelprotein wirkt. Es verringert Muskelregeneration und Muskelaufbau.

Aber das war noch nicht alles an schlechten Nachrichten bezüglich der Antibabypille…

In Studien am Institute of Sports Medicine in Kopenhagen (Hansen et al. 2008, 2011), wurden weitere negative Effekte der Pille auf den Muskelaufbau festgestellt. Zum einen zeigte sich, dass Pillen der 2. Generation (mit Ethinylestradiol) einen negativen Effekt auf die Synthese von Sehnen- und Muskelkollagen ausüben. Kollagen ist entscheidend für die Stabilität von Sehnen - diese sind die Verbindung zwischen Muskel und Knochen und setzen somit die Kontraktion von Muskeln erst in tatsächliche Bewegung um. Wie „stark“ man also in einer Bewegung ist, hängt nicht nur von der Kraft des jeweiligen Muskels ab, sondern auch maßgeblich von der Belastbarkeit der zugehörigen Sehnen.
Durch die verminderte Kollagensynthese reduziert die Pille also zum einen die Anpassungsfähigkeit des Bewegungsapparates gegenüber Belastung durch Wiederstandstraining (Gewichttraining). Zum anderen erhöht sich dadurch auch das Verletzungsrisiko beim Sport und der Heilungsprozess nach sportbedingten Verletzungen kann länger dauern.

Ferner wurde festgestellt, dass Einnahme der Antibabypille die Bildung von myofibrillärem Protein deutlich vermindert. Kurz zur Erklärung: Myofibrillen sind Funktionseinheiten der Muskelzelle, die dieser eine aktive Verkürzung (Kontraktion) ermöglichen - sprich, die dem Muskel ermöglichen zu Ziehen und dadurch eine Bewegung durchzuführen. Weniger Myofibrillen bedeuten entsprechend weniger Kraft des Muskels…
Diese Studie zeigte außerdem, dass der hemmende Effekt der Pille auf die myofibrilläre Proteinsynthese bei Pillen der 3. Generation (Ethinylestradiol + Gestagene) deutlich stärker ausfiel, als bei Pillen der 2. Generation (Ethinylestradiol).

Wie ihr also seht, ist der negative Einfluss der Pille auf den Muskelaufbau extrem stark. Aber wie sieht es mit sonstigen Effekten auf die Figur aus?

Die Effekte der Pille auf Gewicht und Körperkomposition

Es ist erschreckenderweise oftmals immer noch so, dass Ärzte Patientinnen, die über eine Gewichtszunahme durch die Pille klagen, nicht ernst nehmen… Meist wird das dann auf psychische Probleme und so weiter geschoben - da sind viele Mitglieder dieser Berufsgruppe leider immer noch sehr stark von der Pharmalobby geprägt.

Die Pille muss nicht zwangsläufig dick machen, doch die Mehrheit der Nutzerinnen klagt über diese Nebenwirkung. Viele Anwenderinnen der Pille bemerken nach Beginn der Einnahme eine Gewichtszunahme, die geringfügig bis durchaus bemerkbar ausfallen kann. Diese „Extrapfündchen“ können durch zwei Mechanismen entstehen.

Zum einen können die Hormone der Pille den Appetit anregen und auf diese Weise zu einer dauerhaft vermehrten Nahrungsaufnahme führen. Zusätzliche Körpermasse wird also „aktiv“ angefuttert. Zum anderen können die Östrogene der Pille bewirken, dass Wasser ins Körpergewebe eingelagert wird. Die dabei entstehenden Wassereinlagerungen liegen im Bereich von bis zu drei Litern (!). Zum Glück geht diese Wasserspeicherung nach Absetzten des Hormonpräparates normalerweise wieder zurück.

Fazit

Um noch mal kurz alle wichtigen Informationen bezüglich der Pille im Sport zusammenzufassen:

  • Die Pille
  • Verringert den Aufbau von Muskelmasse dramatisch
  • Senkt den Testosteronspiegel
  • Senkt die Wirkung von Testosteron durch Blockade der Androgenrezeptoren
  • Verringert die Synthese von Sehnen- und Muskelkollagen
  • Verringert die Synthese von Myofibrillärem Protein
  • Kann das Risiko für Muskelverletzungen beim Sport erhöhen
  • Kann die Heilungsdauer nach Muskelverletzungen erhöhen
  • Führt zu Gewichtszunahme durch Wasserspeicherungen und/oder erhöhtem Appetit

Also liebe Damen, um in Shape zu kommen ist die Pille das denkbar ungeeignetste Verhütungsmittel - egal ob es um Muskelaufbau geht, oder darum ein paar extra Kilos loszuwerden. Mal von den sonstigen „normalen“ Nebenwirkungen ganz zu schweigen… Bezüglich des Sports - aber auch bezüglich eurer sonstigen körperlichen und seelischen Gesundheit - solltet ihr wahrscheinlich eher auf eine andere Form der Verhütung zurückgreifen. Oder euch mit den negativen Auswirkungen arrangieren - euch dieser aber wenigstens bewusst sein. So lange ich euch zumindest dazu bringen konnte, mal bewusst über die Thematik nachzudenken, war es den Artikel wert…

Bis bald. Sportliche Grüße!
Sebastian vom Planet Muscle Team

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